Vorteilsannahme (§ 305 StGB)
Ein Amtsträger oder Schiedsrichter, der für die pflichtmäßige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts für sich oder einen Dritten einen Vorteil oder einen ungebührlichen Vorteil annimmt oder sich versprechen lässt, begeht das Delikt der Vorteilsannahme und macht sich nach § 305 StGB strafbar.
Amtsträger
Als Sonderdelikt kann die Vorteilsannahme nur von Amtsträgern gemäß § 74 Abs 1 Z 4a lit b StGB oder Schiedsrichtern begangen werden. Unter Amtsträgern sind vor allem Personen zu verstehen, die für den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde oder eine sonstige Person des öffentlichen Rechts zur Vornahme von Rechtshandlungen als deren Organ bestellt oder sonst mit Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung betraut sind (nähere Infos zum Amtsträgerbegriff finden sich im Beitrag zu Bestechlichkeit und Bestechung).
Vornahme oder Unterlassung eines pflichtgemäßen Amtsgeschäfts
Im Gegensatz zur strenger bestraften Bestechlichkeit (§ 304 StGB) muss die angestrebte Vornahme oder Unterlassung des Amtsgeschäfts bei der Vorteilsannahme pflichtgemäß sein, weshalb das Delikt auch milder bestraft ist als die Bestechlichkeit. Pflichtgemäßes Handeln berücksichtigt zusammengefasst alle in der konkreten Situation anwendbaren Vorschriften und gesetzlichen Bestimmungen.
Vorteil
Zentrales Tatbestandsmerkmal der Vorteilsannahme nach § 305 StGB ist, dass der Amtsträger einen Vorteil fordert, oder einen ungebührlichen Vorteil annimmt oder sich diesen versprechen lässt.
Nicht ungebührliche und damit gemäß § 305 Abs 4 StGB erlaubte Vorteile sind:
- Vorteile, deren Annahme gesetzlich erlaubt ist, oder die im Rahmen von Veranstaltungen gewährt werden, an deren Teilnahme ein amtlich oder sachlich gerechtfertigtes Interesse besteht;
- Vorteile für gemeinnützige Zwecke, auf deren Verwendung der Amtsträger oder Schiedsrichter oder eine Person aus dem Familienkreis des Amtsträgers oder Schiedsrichters keinen bestimmenden Einfluss ausübt, sowie
- in Ermangelung von Erlaubnisnormen im Sinne der Z 1 orts- oder landesübliche Aufmerksamkeiten geringen Werts, es sei denn, dass die Tat gewerbsmäßig begangen wird.
Gesetzliche Erlaubnisnormen (Z 1) können in der gesamten Rechtsordnung verankert sein. Veranstaltungen, an deren Teilnahme ein amtlich oder sachlich gerechtfertigtes Interesse besteht, können zB Kongresse, Tagungen, Ausstellungen oder Messen, die der fachlichen oder politischen Repräsentation dienen, sein.
Vorteile für gemeinnützige Zwecke (Z 2) sind nicht ungebührlich, wenn der Amtsträger oder der Schiedsrichter oder eine Person aus dem Familienkreis des Amtsträgers oder des Schiedsrichters aus seiner Verwendung keinen bestimmenden Einfluss hat. Hauptanwendungsbereich dieser tatbestandlichen Einschränkung ist im Wesentlichen der Bereich des Kultur- und Sportsponsorings. Orts- oder landesübliche Aufmerksamkeiten von geringem Wert (Z 3) sind keine ungebührlichen Vorteile, es sei denn, der Täter handelt gewerbsmäßig (§ 70 StGB). Kleine Geschenke unter einem Wert von EUR 100 haben einen geringen Wert, müssen aber zusätzlich „orts- und landesüblich“ sein, um einen nicht ungebührlichen Vorteil darzustellen.
Vorteilszuwendung (§ 307a StGB)
Wer einem Amtsträger oder Schiedsrichter für die pflichtgemäße Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts einen ungebührlichen Vorteil für ihn oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, macht sich wegen Vorteilszuwendung nach § 307a StGB strafbar.
Das Delikt stellt demnach das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines ungebührlichen Vorteils für die pflichtmäßige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts unter Strafe. In Abgrenzung zur Vorteilsannahme handelt es sich beim Tatbestand der Vorteilszuwendung um ein Allgemeindelikt, das von jedermann begangen werden kann.
Drohende Strafen
Die Grundstrafdrohung der Vorteilsannahme und der Vorteilszuwendung beträgt jeweils Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. Übersteigt der Wert des Vorteils EUR 3.000, beträgt der Strafrahmen hingegen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Wer jedoch die Tat in Bezug auf einen EUR 50.000 übersteigenden Wert des Vorteils begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Übersteigt der Wert des Vorteils EUR 300.000, ist der Täter von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe zu bestrafen.
Beispiele für Vorteilsannahmen und Vorteilszuwendungen
Die folgenden Beispiele illustrierten die Grenzen zwischen zulässiger und unzulässiger Vorteilsgewährungen in verschiedenen praxisrelevanten Situationen.
- Nimmt ein Polizist eine Flasche Wein als Dankeschön für die gute Hilfeleistung bei einem Unfall von der geretteten Familie an, ist dies grundsätzlich als orts- und landesübliche Aufmerksamkeit geringen Werts zu werten (abhängig vom Wert der Weinflasche). Das Sich-Versprechen-Lassen eines derartigen Geschenks durch einen Staatsanwalt für ein Diversionsangebot ist es hingegen nicht und kann demnach bei entsprechendem Vorsatz unter das Delikt der Vorteilsannahme nach § 305 StGB fallen.
- Wer einem Mitarbeiter einer Behörde eine Urlaubsreise für die Erlassung eines bestimmten (rechtlich unbedenklichen) Bescheids anbietet, verspricht oder gewährt, begeht bei entsprechendem Vorsatz den Straftatbestand der Vorteilszuwendung nach § 307a StGB. Dabei ist es unerheblich, ob der angebotene Vorteil (Urlaubsreise) vom Amtsträger angenommen wird oder nicht, weil bereits das Anbieten des entsprechenden Vorteils strafbar ist.
Tipps für Compliance-Maßnahmen für die Prävention
Um Korruptionsdelikte präventiv zu verhindern, ist es wichtig, auf Anti-Korruption-Compliance-Maßnahmen zu setzen. Durch die Implementierung und konsequente Durchsetzung klarer Compliance-Richtlinien kann sichergestellt werden, dass die gesetzlichen Vorgaben innerhalb eines Unternehmens oder einer Behörde eingehalten werden. Werden den Mitarbeitern frühzeitig Richtlinien an die Hand gegeben, die konkrete Beispiele aus der Praxis enthalten, welche Geschenke unproblematisch angenommen oder gewährt werden können und bei welchen Vorteilen ein erhöhtes Risiko der Strafbarkeit besteht, werden die Mitarbeiter für die Thematik sensibilisiert und mögliche Unsicherheiten beseitigt.
Darüber hinaus eignen sich Mitarbeiterschulungen dazu, um die Belegschaft für Korruptionsrisiken zu sensibilisieren und ihnen das passende Werkzeug zur Verhinderung entsprechender Straftatbestände an die Hand zu geben. In Schulungen könne Experten detaillierte Informationen über die rechtlichen Rahmenbedingungen und konkrete Risikoanalysen für das entsprechende Unternehmen vermitteln. Zudem ist die Einführung eines internen Hinweisgebersystems anzuraten, um Whistleblowern zu ermöglichen, mögliche Verdachtsfälle zu melden.
Strafverteidigung durch einen Rechtsanwalt beim Vorwurf der Vorteilsannahme oder der Vorteilszuwendung
Wenn der Vorwurf der Vorteilsannahme oder Vorteilszuwendung im Raum steht, sollte rasch ein auf das Korruptionsstrafrecht spezialisierter Strafverteidiger hinzugezogen werden, der die Interessen des Beschuldigten umfassend vertritt.
Ein erfahrener Strafverteidiger analysiert sorgfältig die Beweis- und Aktenlage und beurteilt die individuelle Rechtslage. Darüber hinaus klärt er den Beschuldigten über seine Rechte als Beschuldigter in einem Strafverfahren auf und unterstützt ihn bei der Präsentation entlastender Beweise und Entkräftung der Vorwürfe gegenüber den Strafverfolgungsbehörden. Dabei werden auch mögliche Verfahrensfehler aufgezeigt und alle relevanten Aspekte des Falles berücksichtigt, um eine fundierte Verteidigungsstrategie zu entwickeln, die das Ziel hat, das bestmögliche Verfahrensergebnis für den Beschuldigten zu erzielen.