Was ist der Unterschied zwischen einem Strafantrag und einer Anklageschrift?
Liegt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Ermittlungen zum einen eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit (mehr als 50 %) und zum anderen kein Grund für die Einstellung des Verfahrens oder den Rücktritt von Verfolgung vor, hat sie gegen den Beschuldigten Anklage zu erheben (§ 210 Abs 1 StPO). Die Anklage markiert somit den Beginn des Hauptverfahrens. Im Zuge der Anklageerhebung hat die Staatsanwaltschaft entweder einen Strafantrag oder eine Anklageschrift beim für das Hauptverfahren zuständigen Gericht einzubringen. Sowohl der Inhalt als auch die Handlungsmöglichkeiten zwischen diesen beiden Formen unterscheiden sich:
Die Anklageschrift
Eine Anklageschrift wird von der Staatsanwaltschaft eingebracht, wenn ein Landesgericht als Schöffen- oder Geschworenengericht für das Hauptverfahren zuständig ist. Sie ist von der Staatsanwaltschaft umfassend zu begründen und hat folgende Inhalte aufzuweisen (§ 211 StPO):
Zunächst ist in der Anklageschrift der Name des Angeklagten anzuführen.
Hierauf folgen weitere Angaben zur Person, zur Zeit und zum Ort der Tatbegehung. Weiters sind die näheren Umstände der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat ebenso wie die gesetzliche Bezeichnung der dadurch verwirklichten strafbaren Handlung sowie die übrigen anzuwendenden Strafgesetze anzuführen. Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift ihre Anträge für das Hauptverfahren zu stellen (zB Zeugenvernehmungen) und dabei insbesondere auch die Beweise anzuführen, die im Hauptverfahren aufgenommen werden sollen. Erforderlichenfalls ist auch die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu begründen. Schließlich ist der Sachverhalt nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens zusammenzufassen und zu beurteilen. Die Anklageschrift ist also zu begründen.
Der Strafantrag
Ein Strafantrag kommt hingegen in Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter und in bezirksgerichtlichen Verfahren zum Einsatz. Ein Strafantrag muss – im Gegensatz zur Anklageschrift – keine Begründung enthalten und ist damit meistens wesentlich kürzer. Im Strafantrag werden daher (nur) der angeklagte Sachverhalt sowie die rechtliche Beurteilung der Staatsanwaltschaft und die gestellten (Beweis-)Anträge dargestellt.
Was kann man gegen eine Anklageschrift oder einen Strafantrag tun?
Einspruch gegen die Anklageschrift (§ 212 StPO)
Angeklagte haben das Recht, binnen 14 Tagen nach Zustellung Einspruch gegen die Anklageschrift zu erheben. In diesem Zusammenhang ist aber besondere Vorsicht geboten: Ob ein solcher Einspruch sinnvoll ist, sollte unbedingt mit einem spezialisierten Strafverteidiger besprochen werden. Eine ablehnende Entscheidung des Oberlandesgerichts – das über den Einspruch zu entscheiden hat – kann den in der Anklageschrift dargestellten Tatverdacht bestätigen, was das Erstgericht zum Anlass nehmen kann, um die Begründung des Oberlandesgerichts zu übernehmen.
Manchmal wird ein sogenannter „leerer Einspruch“ eingebracht – also ein Einspruch, nur um Zeit zu gewinnen und die Verteidigung vorzubereiten. Dieser kann später zurückgezogen werden, wenn keine Erfolgsaussichten bestehen.
Ein Einspruch ist insbesondere dann empfehlenswert, wenn:
- die zur Last gelegte Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist,
- Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist,
- der Sachverhalt nicht so weit geklärt ist, dass eine Verurteilung des Angeklagten nahe liegt.
Handlungsmöglichkeiten gegen den Strafantrag – kein Einspruch möglich
Ein Einspruch gegen den Strafantrag ist gesetzlich nicht vorgesehen. Dennoch gibt es zwei Möglichkeiten, um gegen einen Strafantrag vorzugehen:
- Antrag auf Zurückziehung des Strafantrags bei der Staatsanwaltschaft,
- Anregung der Verfahrenseinstellung im Rahmen der gerichtlichen Vorprüfung im einzelrichterlichen Verfahren (§§ 451 Abs 2, 485 StPO).
Auch wenn diese Anträge rechtlich unverbindlich sind, können sie im Einzelfall Wirkung zeigen – vor allem, wenn rechtliche oder tatsächliche Einwände klar dargelegt werden.
Wie bereite ich mich mit Unterstützung eines Rechtsanwalts auf die Hauptverhandlung vor?
Aktenstudium und Vorbereitungszeit
Ein umfassender Überblick über den Strafakt ist die Grundlage einer effektiven Verteidigung in Strafsachen. Nur wer den gesamten Akt kennt, kann sich gezielt verteidigen. Dazu gehören auch das sogenannte „Formblatt zur Ausschreibung der Hauptverhandlung“ und der Anordnungs- und Bewilligungsbogen – daraus ist ersichtlich, welche Personen (Zeugen, Sachverständige, etc) geladen sind. Im Zuge der Vorbereitung ist es daher essenziell, Akteneinsicht in den Strafakt zu nehmen. Strafverteidiger können – nachdem Sie Vollmacht gelegt haben – in der Regel elektronisch auf den Akt zugreifen. Nach Erhalt der Akteneinsicht werden die für das Verfahren wesentlichen Punkte für den Mandanten in eine verständliche Sprache „übersetzt“, um darauf basierend die weitere Vorgehensweise besprechen zu können.
Das Gesetz räumt einem Angeklagten und einem Verteidiger bei sonstiger Nichtigkeit eine Vorbereitungszeit ein (§ 221 Abs 2 StPO). Sie beträgt in Verfahren vor dem Landesgericht acht Tage ab Zustellung, bei bezirksgerichtlichen Verfahren drei Tage (§ 455 Abs 1 StPO). Ist bereits vorhersehbar, dass das Verfahren länger als zehn Tage dauern wird, sieht das Gesetz eine Vorbereitungsfrist von 14 Tagen vor. Durch diese Bestimmung wird auch für den Fall, dass sich ein Angeklagter erst kurzfristig vor der Hauptverhandlung zur Beiziehung eines Wahlverteidigers entscheidet, eine gewisse Vorbereitungszeit gewährleistet.
Verteidigungsstrategie, Beweisanträge und Gegenäußerung
Nachdem sich ein erfahrener Strafverteidiger ausreichend Kenntnis über den Akteninhalt verschafft hat, sollte gemeinsam mit dem Angeklagten eine Verteidigungsstrategie gewählt werden. In diesem Zusammenhang sollte unter anderem beurteilt werden, ob sich der Angeklagte schuldig, teilweise schuldig oder nicht schuldig bekennen sollte. Auch sollte die Möglichkeit einer Verantwortungsübernahme zur Ermöglichung einer diversionellen Vorgehensweise erörtert werden, falls bestimmte Tatsachen darauf hindeuten, dass ansonsten ein Schuldspruch drohe.
Bereits vor Beginn der Hauptverhandlung können schriftliche Beweisanträge eingebracht werden (§ 222 Abs 1 und Abs 2 StPO). Das Gericht hat diesen entweder vorab nachzukommen oder spätestens drei Tage vor Beginn der Hauptverhandlung die Beteiligten darüber zu informieren, dass über die Beweisanträge erst nach deren mündlichen Wiederholung in der Hauptverhandlung entschieden wird.
In einer Vielzahl an Fällen, insbesondere in Wirtschaftsstrafsachen, empfiehlt sich oft eine schriftliche Gegenäußerung zur Anklageschrift (§ 222 Abs 3 StPO), in der:
- der Tatverdacht und die Beweiswürdigung der Staatsanwaltschaft hinterfragt,
- allenfalls mildernde Umstände dargestellt und
- eigene Beweisanträge gestellt
werden. Dies dient insbesondere dazu, dem Gericht bereits vorab die Sicht des Angeklagten, Schwächen der Anklageschrift und mildernde Umstände in Kenntnis zu setzen und dadurch bereits in einem frühen Stadium einen „Gegenpol“ zur Anklage zu setzen.
Optional kann – falls im Einzelfall zweckdienlich – auch ein Gutachten eines Privatsachverständigen beigefügt werden („Person mit besonderem Fachwissen“; § 222 Abs 3 zweiter Satz StPO). Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn die Anklage sich auf ein Sachverständigengutachten stützt. Der Privatsachverständige darf auch bei der Hauptverhandlung anwesend sein und Fragen an den vom Gericht bestellten Sachverständigen stellen.
Medien und Öffentlichkeit
Die Hauptverhandlung ist öffentlich (§ 12 Abs 1 erster Satz StPO). Das bedeutet: Zuseher und allenfalls auch Medienvertreter können anwesend sein. Ein Strafverteidiger kann dafür sorgen, dass Ihre Persönlichkeitsrechte – zB das Recht am eigenen Bild (§ 78 UrhG) – gewahrt bleiben. In bestimmten Fällen kann auch ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit gestellt werden (§ 229 StPO). Dies ist etwa dann möglich, wenn in der Hauptverhandlung Umstände des höchstpersönlichen Lebensbereichs erörtert werden sollen. Die Urteilsverkündung muss immer öffentlich erfolgen.
Rechtsgespräche mit Gericht und Staatsanwaltschaft
Vor (umfangreichen) Hauptverhandlungen kann es sinnvoll sein, dass der Verteidiger ein Rechtsgespräch mit dem Gericht führt. Dabei können organisatorische Fragen geklärt, Beweisanträge angekündigt und Rechtsstandpunkte ausgetauscht werden. Aus diesen Gesprächen lassen sich oftmals auch erste Eindrücke gewinnen, wie das Gericht die geplante Verteidigungsstrategie beurteilt.
Recht auf Verteidigung und notwendige Verteidigung
Jeder Angeklagte hat das subjektive Recht auf einen Verteidiger (§§ 49 Abs 1 Z 2, 58 StPO). In Fällen notwendiger Verteidigung (zB bei Schöffen- oder Geschworenenverfahren oder Freiheitsstrafdrohung über drei Jahren) muss ein Angeklagter von einem Verteidiger vertreten sein.