Zivilrechtliche Aspekte der Arzthaftung
Schadenersatz
Unter gewissen Voraussetzungen kann der behandelte Arzt beim Auftreten eines Schadens haftbar gemacht werden:
Als Schaden ist jeder Nachteil zu definieren, der jemanden in seinem Vermögen, an seinen Rechten oder an seiner Person erleidet. Im medizinischen Kontext besteht ein Schaden in einem Nachteil, der mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Patienten verbunden ist.
Ein Arzt haftet nur dann für einen solchen Schaden, wenn er rechtswidrig (also durch Verstoß gegen den Behandlungsvertrag oder gegen ein Gesetz) handelt und diesen Schaden schuldhaft verursacht hat. Schuldhaftes Verhalten liegt bei fahrlässigem oder gar vorsätzlichem Verhalten vor.
Zudem haftet der Arzt nur für Schäden des Patienten, die durch seine Sorgfaltspflichtverletzung verursacht oder mitverursacht worden sind, also kausal für den Schaden waren. Ein Behandlungsfehler ist dann ursächlich für den Schaden, wenn der Schaden ohne diese Behandlung nicht eingetreten wäre. Da der Kausalitätsnachweis in der Praxis schwierig zu führen ist, reicht es nach der Rechtsprechung aus, wenn das Verhalten des Arztes „überwiegend wahrscheinlich“ den Gesundheitsschaden verursacht hat.
Hat ein Patient einen Schaden im Rahmen einer ärztlichen Behandlung erlitten, wird der behandelte Arzt schadenersatzpflichtig, wenn sein Verhalten gegen Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstößt und er somit rechtswidrig gehandelt hat.
Darüber hinaus muss den Arzt ein gewisses Maß an Verschulden treffen. Ein Arzt handelt dann schuldhaft, wenn er sein rechtswidriges, den Schaden verursachendes Verhalten hätte verhindern können bzw sollen. Konkret liegt ein Fehlverhalten dann vor, wenn der Arzt nicht nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft oder Erfahrung vorgegangen ist oder wenn er über die Sorgfalt eines ordentlichen pflichtgetreuen Durchschnittsarztes in der konkreten Situation vernachlässigt hat.
Behandlungsfehler
Ein Arzt begeht einen Behandlungsfehler dann, wenn er gegen anerkannte Regeln der ärztlichen Wissenschaft (§ 49 Abs 1 ÄrzteG) und der „ärztlichen Kunst“ verstößt. Alternativ bilden die Ergebnisse der Grundlagenforschung, die der angewandten Forschung und die „medizinische Erfahrung“ die Grundlage zur Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler vorliegt. In der Praxis kommt in diesem Zusammenhang auch medizinischen Leitlinien von medizinischen Fachgesellschaften besondere Bedeutung zu. Der Arzt schuldet aus dem Behandlungsvertrag die „jeweils aussichtsreichste Behandlung“, die zumindest von einer anerkannten Schule medizinischer Wissenschaft vertreten wird.
Aufklärungsfehler
Nur die nach hinreichender Aufklärung erteilte Einwilligung des Patienten in eine medizinische Behandlung rechtfertigt den Eingriff – andernfalls ist er grundsätzlich rechtswidrig. Demnach ist es essenziell, dass Ärzte ihre Patienten ausreichend und vollständig über die Behandlung, deren Erfolgsaussichten und Risiken aufklären. Eine ausreichende Aufklärung muss so umfangreich sein, dass der Patient in die Lage versetzt wird, in Kenntnis der wesentlichen Umstände und Folgen der in Aussicht genommenen Behandlung die Tragweite seiner Erklärung zu überschauen.
Ohne ausreichende Aufklärung über die Art und die Folgen der Erkrankung und des medizinischen Eingriffs kann der Patient keine gültige Einwilligung in die Behandlung ergreifen. Die Haftung wegen fehlender und mangelhafter Aufklärung greift auch dann, wenn die Behandlung an sich kunstgerecht vorgenommen wurde, also kein Behandlungsfehler vorliegt.
Unter bestimmten Voraussetzungen entfällt die Aufklärungspflicht dennoch. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn aufgrund der Vorgeschichte und der beruflichen Ausbildung des Patienten davon ausgegangen werden kann, dass dieser über die notwendigen Vorkenntnisse verfügt. Dennoch ist hier Vorsicht geboten. Ärzte sollten auf eine gewissenhafte und zutreffende Aufklärung achten, um diesbezügliche Haftungsrisiken zu vermeiden.
Strafrechtliche Aspekte der Arzthaftung
Wenn ein Arzt während einer Behandlung sorgfaltswidrig handelt und dadurch seinem Patienten Schaden zufügt, kann dies auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Insbesondere Fahrlässigkeitsdelikte spielen hierbei eine bedeutende Rolle, weshalb eine sorgfältige Behandlung stets gewährleistet sein muss.
Besonders relevante Delikte, die in der Praxis vorkommen und beim Verdacht eines möglichen Fehlverhaltens gegen Ärzte erhoben werden, sind folgende:
- (Grob) Fahrlässige Körperverletzung (§ 88 StGB): Dieses Delikt liegt vor, wenn ein Arzt durch Verletzung der gebotenen Sorgfaltspflichten die körperliche Unversehrtheit eines Patienten beeinträchtigt, ohne Vorsatz darauf zu haben. Grobe Fahrlässigkeit bedeutet dabei, dass der Arzt in besonders schwerwiegender Weise die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Ein Beispiel wäre das Übersehen eindeutiger Symptome oder die Nichtbeachtung grundlegender medizinischer Standards, was zu vermeidbaren Gesundheitsschäden führt.
- (Grob) Fahrlässige Tötung (§ 80 StGB): Hierbei verursacht der Arzt durch fahrlässiges Verhalten den Tod eines Patienten. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arzt die Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt, etwa durch gravierende Behandlungsfehler oder das Ignorieren wesentlicher Sicherheitsvorkehrungen. In solchen Fällen hätte der Tod des Patienten durch Einhaltung der medizinischen Sorgfaltspflichten vermieden werden können.
- Eigenmächtige Heilbehandlungen (§ 110 StGB): Wenn ein Arzt einen Patienten ohne dessen Einwilligung, wenn auch nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft behandelt, begeht er das Vorsatzdelikt der eigenmächtigen Heilbehandlung. Hat der Täter die Einwilligung des Behandelten in der Annahme nicht eingeholt, dass durch den Aufschub der Behandlung das Leben oder die Gesundheit des Patienten ernstlich gefährdet wäre (Notfall), so ist er nur zu bestrafen, wenn die vermeintliche Gefahr nicht bestanden hat und er sich dessen bei Aufwendungen der nötigen Sorgfalt hätte bewusst sein können.
Compliance als Prävention
Im medizinischen Bereich sind wirksame Compliance-Maßnahmen unerlässlich, um Haftungsrisiken zu minimieren und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Eine sorgfältige Dokumentation aller Behandlungsabläufe, inklusive umfassender Aufklärungsgespräche mit dem Patienten, bildet dabei die Basis. Darüber hinaus sollten regelmäßige Schulungen und Workshops für das gesamte medizinische Personal durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten über aktuelle rechtliche Anforderungen und medizinische Standards informiert sind. Auch die Implementierung interner Kontrollmechanismen, wie z.B. Zweitmeinungen bei komplexen Diagnosen oder Eingriffen, kann das Fehlerrisiko deutlich reduzieren.
Schließlich ist es ratsam, klare Richtlinien für den Umgang mit Verdachtsfällen oder Beschwerden zu etablieren, um rechtzeitig auf potenzielle Probleme reagieren zu können und eine transparente Fehlerkultur zu fördern. Solche Maßnahmen tragen nicht nur zur Risikoreduzierung bei, sondern stärken auch das Vertrauen der Patienten in die Behandlungsqualität.
Wann ist es ratsam, einen spezialisierten Rechtsanwalt für Arzthaftungsrecht zu konsultieren?
Ein auf Arzthaftungsrecht spezialisierter Rechtsanwalt sollte immer dann konsultiert werden, wenn rechtliche Unsicherheiten im Zusammenhang mit ärztlichen Behandlungs- oder Aufklärungsfehlern auftreten. Dies gilt sowohl für betroffene Ärzte, die sich gegen mögliche Vorwürfe verteidigen müssen, als auch für Patienten, die Schadensersatzansprüche geltend machen möchten.
Werden gar strafrechtliche Vorwürfe erhoben, kann ein erfahrener Rechtsanwalt im Medizinstrafrecht dabei helfen, die oftmals komplexen Sachverhalte rechtlich einzuordnen, die Erfolgsaussichten eines Verfahrens zu bewerten und die richtige Strategie zur Wahl der Verteidigungslinie zu wählen. Bei strafrechtlichen Vorwürfen wie fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung ist es entscheidend, frühzeitig rechtliche Unterstützung einzuholen, um Haftungsrisiken zu minimieren und eine angemessene Verteidigungsstrategie zu entwickeln.