Allgemeines
Kridadelikte umfassen eine Gruppe von strafbaren Handlungen, die im Zusammenhang mit der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit oder dem Insolvenzverfahren einer natürlichen oder juristischen Person stehen. Sie stellen betrügerische oder fahrlässige Verhaltensweisen unter Strafe, durch die Gläubiger geschädigt werden können.
Im österreichischen Strafgesetzbuch (StGB) finden sich diese Delikte in den §§ 156 bis 163d StGB. Das Kridastrafrecht umfasst Delikte wie die betrügerische Krida (§ 156 StGB), die Schädigung fremder Gläubiger (§ 157 StGB), die Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB), die grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) und weitere strafbare Handlungen. Typischerweise treten diese Delikte vor oder während einem Insolvenzverfahren auf. Ziel der strafrechtlichen Regelungen ist es, das Vertrauen in die Integrität des Wirtschaftslebens zu schützen und eine gerechte Behandlung der Gläubiger zu gewährleisten.
Betrügerische Krida (§ 156 StGB)
Wer einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder schmälert, macht sich wegen betrügerischer Krida strafbar.
Der Tatbestand der betrügerischen Krida kann als sogenanntes Sonderdelikt nur von einem Schuldner mehrerer – dh mindestens zweier – Gläubiger begangen werden.
Tathandlung der betrügerischen Krida
Tathandlung ist die wirkliche oder die scheinbare Verringerung des Vermögens des Täters oder des vom Täter geleiteten Unternehmens.
Vermögen iSd § 156 StGB ist alles, was dem Zugriff der Gläubiger durch Zwangsvollstreckung unterliegt, also zB körperliche Sachen, Forderungen und Rechte.
Eine wirkliche Vermögensverringerung geschieht, wenn die Aktiven ohne entsprechenden Gegenwert verkürzt oder die Passiven ohne gleichwertige Aufstockung der Aktiven erhöht werden. Demnach ist der Tatbestand der betrügerischen Krida dann nicht erfüllt, wenn das Vermögen in seiner Gesamtheit unvermindert bleibt, etwa bei Zahlung bestehender Verbindlichkeiten. Typische Fallkonstellationen einer wirklichen Vermögensverringerung sind beispielsweise die folgenden:
- Unter Veräußern eines Vermögenswerts ist das rechtsgeschäftliche Ausscheiden eines Vermögensvorteils ohne Erhalt eines entsprechenden wirtschaftlichen Äquivalents, etwa durch Verzicht, Verschenken oder Verkauf unter Wert erfasst.
- Ein Vermögensbestandteil wird beschädigt, wenn durch eine nicht ganz unerhebliche Veränderung der Substanz seine Brauchbarkeit zu einem bestimmten Zweck beeinträchtigt wird und dadurch zu einer Wertminderung führt.
Von einer ebenfalls strafbaren scheinbaren Vermögensminderung ist auszugehen, wenn sich zumindest einem Gläubiger die Befriedigungschancen wahrheitswidrig reduziert darstellen sollen, zB wenn Vermögenswerte verheimlicht oder beiseite geschafft werden.
- Verheimlichen bedeutet, den Vermögensbestandteil der Kenntnis des Gläubigers zu entziehen.
- Beiseite schaffen liegt in der faktischen oder rechtlichen Verhinderung des Gläubigerzugriffs.
Die Strafbarkeit ist nicht auf die genannten Tathandlungen (zB Beiseiteschaffen, Veräußern, Beschädigen) beschränkt. Vielmehr ist jede wirkliche oder scheinbare Vermögensverminderung tatbildlich, sofern sie die Befriedigung zumindest eines Gläubigers vereitelt oder schmälert.
Strafdrohung
Die Grundstrafdrohung der betrügerischen Krida liegt bei Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren.
Wer durch die Tat einen EUR 300.000 übersteigenden Schaden herbeiführt, ist jedoch mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
Beispiele für betrügerische Krida
- Wer als Geschäftsführer finanzielle Barmittel aus dem Vermögen einer GmbH für private Zwecke entnimmt und dadurch die Befriedigung zumindest eines Gläubigers schmälert oder vereitelt, kann sich bei entsprechendem Vorsatz wegen betrügerischer Krida strafbar machen.
- Der Geschäftsführer einer kreditunwürdigen GmbH kann sich nach § 156 StGB strafbar machen, wenn er Eigenkapital ersetzende Darlehen an Gesellschafter zurückzahlt.
- Ein Vorstandsmitglied einer Konzerngesellschaft überweist einen Geldbetrag an eine Tochtergesellschaft, da diese sich in Liquiditätsengpässen befindet. Vereitelt oder schmälert das Vorstandsmitglied der Muttergesellschaft durch die Befriedigung zumindest eines der Gläubiger der Muttergesellschaft, begeht das Vorstandmitglied bei entsprechendem Vorsatz betrügerische Krida.
Schädigung fremder Gläubiger (§ 157 StGB)
Den Straftatbestand der Schädigung fremder Gläubiger hat zu verantworten, wer ohne Einverständnis mit dem Schuldner einen Bestandteil des Vermögens des Schuldners verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder beschädigt oder ein nicht bestehendes Recht gegen das Vermögen des Schuldners geltend macht und dadurch die Befriedigung der Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder schmälert.
Im Gegensatz zu § 156 StGB kann beim Delikt der Schädigung fremder Gläubiger jeder Täter sein, der nicht Schuldner ist uns sich auch nicht an einer betrügerischen Krida beteiligt.
Die Tatstruktur entspricht im Wesentlichen jener der betrügerischen Krida. Der wesentliche Unterschied besteht jedoch darin, dass die Disposition im Vermögen des Schuldners ohne dessen Einverständnis erfolgt
Die Strafdrohung entspricht der Strafdrohung für betrügerische Krida nach § 156 StGB.
Beispiel für Schädigung fremder Gläubiger
- Ein Unternehmer fordert unter Bezugnahme auf Scheinrechnungen, die angeblich seit mehreren Monaten fällig sind, gegenüber einem neuen Mitarbeiter der Buchhaltungsabteilung, der diesen Vorgang nicht näher hinterfragt, die sofortige Begleichung einer Scheinforderung. Er begeht durch die Geltendmachung dieses nicht bestehenden Rechts bei Vereitelung oder Schmälerung zumindest eines Gläubigers des Unternehmens den Straftatbestand nach § 157 StGB. Zusätzlich kann er sich wegen Betrugs (§ 146 StGB) strafbar machen.
Begünstigung eines Gläubigers (§ 158 StGB)
Den Tatbestand der Begünstigung eines Gläubigers begeht, wer nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit einen Gläubiger begünstigt und dadurch die anderen Gläubiger oder wenigstens einen von ihnen benachteiligt.
Der Gläubiger, der den Schuldner zur Sicherstellung oder Zahlung einer ihm zustehenden Forderung verleitet oder die Sicherstellung oder Zahlung annimmt, ist hingegen nicht nach § 158 StGB zu bestrafen.
Das Delikt des § 158 StGB dient dem insolvenzrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung der Gläubiger. Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit sollen keine Gläubiger mehr auf Kosten der anderen Gläubiger bevorzugt werden.
Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 158 StGB ist die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit. Diese liegt dann vor, wenn der Schuldner mangels liquider Mittel nicht mehr imstande ist, in angemessener Frist und bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung seine gesamten Verbindlichkeiten zu begleichen. Auf ein anhängiges Insolvenzverfahren kommt es nicht an.
Die Begünstigung eines Gläubigers als Tathandlung besteht zusammengefasst in der Verschiebung des Befriedigungspools, etwa durch Zahlung über die insolvenzrechtlich vorgesehene anteilsmäßige Befriedigung hinaus.
Der Taterfolg ist die Benachteiligung zumindest eines weiteren Gläubigers, dessen Befriedigung entweder vereitelt oder zumindest geschmälert werden muss. Die Strafdrohung beträgt Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
Die Strafdrohung beträgt Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.
Beispiel
- Ein Einzelunternehmer gerät in Zahlungsschwierigkeiten. Obwohl er weiß, dass er seit einem Jahr Verluste macht und mittlerweile nicht mehr imstande ist, seine offenen Rechnungen zu begleichen, bezahlt er die noch offene Rechnung eines Lieferanten, der auch sein privater Freund ist. Er tut dies bewusst vor Anmeldung einer Insolvenz, um zumindest seinem Freund eine volle Bezahlung zu gewährleisten und weiß, dass dadurch die übrigen Gläubiger im Insolvenzverfahren einen noch größeren Ausfall erleiden werden. Er begeht das Delikt der Begünstigung eines Gläubigers.
Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB)
Deliktsstruktur
Wer grob fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeiführt, dass er kridaträchtig handelt, begeht das Delikt der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 159 StGB.
Auch, wer in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit grob fahrlässig die Befriedigung wenigstens eines seiner Gläubiger dadurch vereitelt oder schmälert, dass er kridaträchtig handelt, macht sich nach § 159 StGB strafbar (§ 159 Abs 2 StGB).
Ebenso ist nach § 159 StGB zu bestrafen, wer grob fahrlässig seine wirtschaftliche Lage durch kridaträchtiges Handeln derart beeinträchtigt, dass Zahlungsunfähigkeit eingetreten wäre, wenn nicht von einer oder mehrerer Gebietskörperschaften ohne Verpflichtung hiezu unmittelbar oder mittelbar Zuwendungen erbracht, vergleichbare Maßnahmen getroffen oder Zuwendungen oder vergleichbare Maßnahmen veranlasst worden wären (§ 159 Abs 3 StGB).
Kridaträchtig handelt, wer entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens
- einen bedeutenden Bestandteil seines Vermögens zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht, verschleudert oder verschenkt;
- durch ein außergewöhnlich gewagtes Geschäft, das nicht zu seinem gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, durch Spiel oder Wette übermäßig hohe Beträge ausgibt;
- übermäßigen, mit seinem Vermögensverhältnissen oder seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand treibt;
- es unterlässt, Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen, oder sie so führt, dass ein zeitnaher Überblick über seine wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wird, oder sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen unterlässt, die ihm einen solchen Überblick verschaffen, oder
- es unterlässt, verpflichtende Jahresabschlüsse zu erstellen oder auf eine solche Weise oder so spät erstellt, dass ein zeitnaher Überblick über seine wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wird.
Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Täter ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhalts als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war (§ 6 Abs 3 StGB).
Strafdrohungen (§ 159 StGB)
Das Delikt der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen ist in der Grundstrafdrohung mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen. Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ist hingegen zu bestrafen, wer
- im Falle des Abs 1 einen EUR 1.000.000 übersteigenden Befriedigungsausfall seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen bewirkt,
- im Falle des Abs 2 einen EUR 1.000.000 übersteigenden zusätzlichen Befriedigungsausfall seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen bewirkt oder
- durch eine der in Abs 1 und 2 mit Strafe bedrohten Handlungen die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen schädigt oder im Falle des Abs 3 geschädigt hat.
Beispiel für grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159 StGB)
- Ein Unternehmer erkennt, dass sein Geschäft zahlungsunfähig wird, entscheidet sich jedoch trotzdem, eine riskante Expansion zu finanzieren, die nicht zu seinem üblichen Geschäftsbetrieb gehört (kridaträchtiges Handeln nach Abs 5). Infolgedessen wird er zahlungsunfähig und kann mehrere Gläubiger nicht mehr befriedigen. Dabei verkauft er noch einen Teil seines Vermögens unter Wert, um Liquidität zu schaffen, wodurch seine Gläubiger zusätzlich geschädigt werden. Kann ihm lediglich grob fahrlässiges Verhalten (und kein Vorsatz) vorgeworfen werden und wird sein Verhalten als kridaträchtig eingestuft, kann er nach § 159 Abs 1 und Abs 2 StGB bestraft werden.
Compliance als Präventionsmaßnahme
Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung von Kridadelikten sind von großer Bedeutung, um rechtliche und finanzielle Konsequenzen für Unternehmen und deren Verantwortliche zu vermeiden. Eine frühzeitige und regelmäßige Überwachung der finanziellen Lage des Unternehmens durch ein fundiertes Finanz- und Liquiditätsmanagement kann bereits ein großer Schritt in die richtige Richtung sein. Darüber hinaus sollte ein internes Kontrollsystem eingerichtet werden, welches laufend modernisiert und regelmäßig überarbeitet werden sollte. Compliance-Maßnahmen wie ein internes Kontrollsystem sollen Unregelmäßigkeiten bei Zahlungszuflüssen oder Bilanzierungen bereits frühzeitig aufdecken. Außerdem sollten regelmäßig Schulungen und Workshops für Mitarbeiter angeboten werden, um die Gefahr möglicher Fehltritte aufzuzeigen.
Strafverteidigung durch einen Rechtsanwalt bei Vorwürfen zu Kridadelikten
Wenn der Vorwurf eines Kridadelikts wie zB betrügerische Krida oder grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen im Raum steht, sollte rasch ein auf das Wirtschaftsstrafrecht spezialisierter Strafverteidiger hinzugezogen werden, der die Interessen des Beschuldigten bestmöglich vertritt. Kridadeliklte werfen häufig komplexe rechtliche Fragen auf, die eine umfassende rechtliche Analyse bedürfen. Ein erfahrener Strafverteidiger kann bereits frühzeitig rechtliche Risiken identifizieren, die aus fehlerhaftem Verhalten resultieren können. Sollten bereits strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden sein, ist die Verteidigung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt von entscheidender Bedeutung, um mögliche Strafen zu verhindern oder zu minimieren und etwaige Reputationsschäden zu verhindern.