Amtsmissbrauch (§ 302 StGB): Tatbestandsmerkmale
Das Delikt des Amtsmissbrauchs (Missbrauch der Amtsgewalt) begeht ein Beamter, der mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechts als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht (§ 302 StGB).
Beamter, Hoheitsverwaltung
Der Amtsmissbrauch ist ein Sonderdelikt, das nur von Beamten begangen werden kann. Beamte sind nach § 74 Abs 1 Z 4 StGB Personen, die für den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde oder eine sonstige Person des öffentlichen Rechts zur Vornahme von Rechtshandlungen, als deren Organ bestellt oder sonst mit Aufgaben der Bundes-, Landes- oder der Gemeindeverwaltung betraut sind.
Beamte sind somit alle Staatsorgane wie beispielsweise der Bürgermeister, das Gemeinderatsmitglied oder die Mitglieder der Bundesregierung. Unter den Beamtenbegriff fallen aber auch Angehörige der Gerichtsbarkeit, also insbesondere Richter, Staatsanwälte und Rechtspfleger. Neben Bund, Ländern und Gemeinden sind relevante Rechtsträger zB auch diverse Interessensvertretungen wie Rechtsanwalts-, Notariats-, und Ärztekammern, Arbeits- und Wirtschaftskammern, die Österreichische Hochschülerschaft, Universitäten und öffentliche Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungsanstalten, sodass deren Bedienstete Beamte sein können. Der strafrechtliche Beamtenbegriff ist funktional zu verstehen und vom Dienstrecht abzugrenzen.
Im Rahmen der Hoheitsverwaltung muss eine Handlung „in Vollziehung der Gesetze“ erfolgen, wobei der Befugnismissbrauch in der dem Staat zukommenden Befehls- und Zwangsgewalt liegt. Die Privatwirtschaftsverwaltung und Tätigkeiten im Rahmen der Gesetzgebung kommen als Tathandlungen des Amtsmissbrauchs daher nicht in Frage. Typische Amtsgeschäfte im Sinne der Hoheitsverwaltung sind zB Verordnungen, Bescheide, Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die Erlassung von Urteilen oder Beschlüssen. Auch die sogenannte „schlichte Hoheitsverwaltung“, die in engem Zusammenhang mit Hoheitsakten steht, fällt darunter.Der Amtsmissbrauch kann dabei sowohl in einem aktiven Tun als auch in einem Unterlassen bestehen. So kann zB die Verletzung gesetzlicher Anzeigepflichten Amtsmissbrauch durch Unterlassung darstellen.
Wissentlicher Befugnismissbrauch
Ein weiteres Tatbestandsmerkmal des Amtsmissbrauchs ist der wissentliche Befugnismissbrauch durch einen Beamten. Dieser muss also wissen, dass sein Verhalten gegen gesetzliche Normen verstößt, also objektiv rechtswidrig ist.
Ein Missbrauch der Amtsgewalt kann einem Beamten grundsätzlich dann nicht vorgeworfen werden, wenn dieser sich in dem ihm eingeräumten Ermessenspielraum agiert. Entscheidet er aber innerhalb dieses Spielraums jedoch wissentlich nach unsachlichen Kriterien wie zB nach parteipolitischen Erwägungen, liegt bei entsprechendem Vorsatz Amtsmissbrauch vor.
Neben der Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs ist für eine Strafbarkeit eine weitere Voraussetzung, dass der Täter den Vorsatz hat, durch den Befugnismissbrauch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen. Solche Rechte sind insbesondere Individualrechte natürlicher oder juristischer Personen, wie zB Vermögens-, Eigentums-, Immaterialgüter- und Persönlichkeitsrechte. Auch konkrete öffentliche Rechte wie zB das Recht auf Steuereinhebung, die Erhaltung unbebauter Flächen/Grünland oder die Entziehung der Gewerbeberechtigung fallen darunter.
Drohende Strafen bei Amtsmissbrauch und mögliche dienstrechtliche Auswirkungen
Die Grundstrafdrohung des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs 1 StGB beträgt Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Bei schwerwiegenden, sogenannten qualifizierten Taten beträgt die Strafdrohung hingegen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Qualifiziert ist eine Tat dann, wenn der Beamte diese bei der Führung eines Amtsgeschäfts mit einer fremden Macht oder einer über- oder zwischenstaatlichen Einrichtung begeht. Auch wenn der Amtsmissbrauch in einem Schaden resultiert, der EUR 50.000 übersteigt, gilt die Tat als qualifiziert. Auch in diesem Fall reicht die Strafdrohung daher von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.
Bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens hat für den Beschuldigten erhebliche nachteilige Folgen, wie zB Reputationsschäden. Wer Amtsmissbrauch begeht, muss aber nicht nur mit einem schlechten Ruf oder strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, sondern auch mit erheblichen dienstrechtlichen Konsequenzen wie mit einer Entlassung oder Suspendierung.
Strafrechtliche Verurteilungen, die eine Freiheitsstrafe von einem Jahr übersteigen und Handlungen betreffen die mit Vorsatz begangen wurden (§ 27 StGB) sind bei Beamten zusätzlich mit dem Verlust des Amtes verbunden. Dasselbe gilt, wenn eine nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe sechs Monate übersteigt. Missbrauch der Amtsgewalt ist demnach mit dem Risiko des Amtsverlusts verbunden und entsprechende Vorwürfe sollten ernst genommen werden.
Missbrauch der Amtsgewalt: Typische Szenarien und Beispiele
Amtsmissbrauch kann in der Praxis auf vielfältige Weise verwirklicht werden. Die folgenden Beispiele zeigen, in welchen Situationen der Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt erfüllt sein kann:
- Die Erteilung einer gesetzwidrigen Baubewilligung stellt bei entsprechendem Vorsatz Amtsmissbrauch dar.
- Ein Beamter nutzt seine Dienstposition, um vertrauliche Informationen für private Zwecke zu sammeln, ohne rechtliche Grundlage oder dienstliche Notwendigkeit. Er begeht bei entsprechendem Vorsatz den Tatbestand des § 302 StGB.
- Wenn ein Beamter trotz Verpflichtung zur Verschwiegenheit einen Geschäftsführer eines Unternehmens vor einer bevorstehenden Kontrolle desselben warnt, begeht er Amtsmissbrauch.
Compliance-Maßnahmen zur Verhinderung von Amtsmissbrauch
Zur Verhinderung von Amtsmissbrauch ist es von großer Bedeutung, ein gewisses Maß an Transparenz und Rechenschaftspflicht in amtlichen Entscheidungsprozesse einzuführen, um mögliche Einfallstore für Strafbarkeitsrisiken einzuschränken. Darüber hinaus sollte eine genaue Dokumentation von Entscheidungsprozessen bzw. von gesetzten Maßnahmen erfolgen, um diese nachvollziehbar und überprüfbar zu machen.
Außerdem sollten regelmäßig Audits oder im Bedarfsfall interne Untersuchungen zur Amtsführung durchgeführt werden, um diesbezüglich problematische Handlungen oder Entscheidungen so früh wie möglich aufzudecken und um zukünftige Missbrauchsfälle zu verhindern.
Die Durchführung von Schulungen und Workshops für Beamte durch einen Compliance-Spezialisten kann das allgegenwärtige Risiko des Amtsmissbrauchs verständlicher machen und Beamte für die verschiedenen Erscheinungsformen sensibilisieren.
Rechtsberatung durch einen Strafverteidiger beim Vorwurf des Amtsmissbrauchs
Steht der Vorwurf des Amtsmissbrauchs im Raum, besteht dringender Handlungsbedarf. Ein spezialisierter Rechtsanwalt verfügt in einer solchen Situation sowohl über die notwendige juristische Expertise als auch über ein tiefes Verständnis zu strategischen Fragen zur Entkräftung der Vorwürfe. Vorwürfe des Amtsmissbrauchs werden zum Teil im Zusammenhang mit anderen Vorwürfen, wie zB Korruptionsdelikten und wirtschaftsstrafrechtlichen Anschuldigungen, erhoben.
Personen die als Beschuldigte in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Missbrauch der Amtsgewalt geführt werden, sollten umgehend einen Strafverteidiger konsultieren, um ihre Rechte effektiv wahrnehmen zu können und den bestmöglichen Verfahrensausgang zu erreichen.
Ein wesentlicher Aspekt der Verteidigung kann darin bestehen, nachzuweisen, dass der Beschuldigte im Zeitpunkt der Tat nicht wissentlich in Bezug auf den vorgeworfenen Befugnismissbrauch handelte, beispielsweise durch Vorlage von Unterlagen, die seine Gutgläubigkeit belegen. In solchen Fällen ist eine konkrete und intensive Prüfung des gesamten Sachverhaltes durch einen erfahrenen Strafverteidiger unerlässlich, um alle entlastenden Aspekte möglichst effektiv in das Ermittlungs- oder Hauptverfahren einzubringen.