Allgemeines
Die Überwachung von Nachrichten (Telefon, SMS, Messenger, internetbasierte Kommunikation usw) ist eine schwerwiegende Maßnahme in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Sie greift in die Vertraulichkeit privater Kommunikation ein und berührt damit zentrale Grundrechte. Zugleich ist sie in vielen Verfahren ein entscheidendes Beweismittel: Kommunikationsinhalte, Verbindungsdaten und Standortinformationen können Verdachtslagen erhärten oder entkräften.
Die Definition einer Überwachung von Nachrichten ist gemäß § 134 Z 3 StPO sehr weit. Unter Nachrichten und Inhalten im Sinne des § 134 Z 3 StPO sind einerseits gedankliche Mitteilungen zwischen natürlichen Personen zu verstehen – etwa Telefongespräche, E-Mails oder Messenger-Nachrichten. Erfasst ist jedoch auch jede andere Information, die über ein Kommunikationsnetz oder einen Dienst der Informationsgesellschaft übermittelt wird, sofern am Übertragungsvorgang mindestens eine natürliche Person beteiligt ist.
Dazu zählen neben klassischer Sprachtelefonie auch Funksprüche, Faxe, E-Mails, SMS, MMS, Videonachrichten, Datenübertragungen beim Surfen im Internet oder die Übermittlung in Cloud-Dienste. Auch moderne Kommunikationsplattformen wie WhatsApp fallen grundsätzlich darunter. In der Praxis scheitert eine Inhaltsüberwachung jedoch häufig daran, dass derartige Dienste standardmäßig verschlüsselt sind und damit einer technischen Auswertung nur eingeschränkt zugänglich bleiben.
Voraussetzungen einer Überwachung von Nachrichten
Eingangs ist wichtig zu erwähnen, dass stets das sogenannte Stufenmodell der Eingriffe beachtet werden sollte. Von weniger intensiven Maßnahmen (zB Auskunft über Stammdaten, wie beispielsweise Name und Adresse) bis hin zur inhaltsbezogenen Überwachung von Nachrichten steigen die rechtlichen Hürden deutlich an. Je intensiver der Zugriff, desto strenger sind Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Für Betroffene bedeutet das: Frühzeitig handeln, die staatsanwaltschaftliche Anordnung und die gerichtliche Bewilligung genau prüfen lassen und Beschuldigtenrechte aktiv nutzen. Auch für Nachrichtendienstanbieter ist die sorgfältige Umsetzung rechtmäßiger Anordnungen einerseits und die Beachtung von Vertraulichkeitsvorgaben andererseits essenziell. Sie sind jedoch bei vielen Ermittlungsmaßnahmen zur Mitwirkung verpflichtet (§ 138 Abs 2 StPO).
Wann ist eine Auskunft bzw Überwachung materiell zulässig?
§ 135 StPO regelt den Rahmen der materiellen Zulässigkeit unterschiedlicher Ermittlungsmaßnahmen. Maßgeblich sind konkreter Tatverdacht, Erforderlichkeit zur Aufklärung und generell Verhältnismäßigkeit. Unter mehreren zielführenden Ermittlungshandlungen haben Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht jene zu ergreifen, welche die Rechte des Beschuldigten am Geringsten beeinträchtigen (§ 5 Abs 2 StPO).
Dies hat zur Folge, dass etwa in einer Konstellation, in der ausschließlich zu klären ist, von welchem Standort aus der Beschuldigte eine Nachricht versendet hat, eine inhaltliche Überwachung der Kommunikation unzulässig ist. In einem solchen Fall genügt die Auskunft über die Daten der Nachrichtenübermittlung, um die betreffende Fragestellung zu beantworten.
- Auskunft über Stammdaten und Zugangsdaten: Diese Ermittlungsmaßnahme ist bereits zulässig, sobald ein konkreter Verdacht besteht (§ 135 Abs 1a StPO).
- Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung: Unter diese Maßnahme fällt die Auskunft über Verkehrsdaten (Verbindungs-, äußere Gesprächs- oder Rufdaten), Zugangsdaten (zB dynamische IP-Adressen) sowie Standortdaten (geographische Daten während einer Kommunikation).
Eine solche Auskunft ist gemäß § 135 Abs 2 StPO zulässig,
- bei Freiheitsentziehungen, wenn und solange der dringende Verdacht besteht, dass eine Person eine andere entführt oder sich sonst ihrer bemächtigt hat, und sich die Auskunft auf Daten einer Nachricht beschränkt, von der anzunehmen ist, dass sie zur Zeit der Freiheitsentziehung vom Beschuldigten übermittelt, empfangen oder gesendet wird (Z 1);
- bei Zustimmung des Inhabers, wenn zu erwarten ist, dass die Maßnahme die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist, fördert, und der Inhaber der technischen Einrichtung der Auskunft ausdrücklich zustimmt (Z 2);
- bei mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohten Straftaten, wenn zu erwarten ist, dass dadurch die Aufklärung dieser vorsätzlich begangenen Straftat gefördert werden kann und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dadurch Daten des Beschuldigten ermittelt werden können (Z 3);
- zur Aufenthaltsermittlung, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen zu erwarten ist, dass dadurch der Aufenthalt eines flüchtigen oder abwesenden Beschuldigten ermittelt werden kann, der einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlung dringend verdächtig ist (Z 4).
- Eine Lokalisierung einer technischen Einrichtung und eine Anlassdatenspeicherung sind unter ähnlichen Voraussetzungen zulässig (§§ 135 Abs 2a, Abs 2b).
- Überwachung von Nachrichten: Diese Maßnahme stellt den intensivsten Eingriff im Rahmen der nach § 135 StPO vorgesehenen Ermittlungsmaßnahmen dar, da hierbei der Inhalt der Kommunikation überwacht wird.
Eine Überwachung von Nachrichten ist gemäß § 135 Abs 3 StPO zulässig,
- wenn die oben genannten Voraussetzungen einer Freiheitsentziehung (§ 135 Abs 2 Z 1 StPO) oder einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten vorsätzlichen Straftat unter ausdrücklicher Zustimmung des Inhabers der technischen Einrichtung erfüllt sind (Z 1 und Z 2);
- oder wenn dies zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist, erforderlich erscheint oder wenn andernfalls die Aufklärung oder Verhinderung von im Rahmen einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung oder einer kriminellen Organisation (§§ 278 bis 278b StGB) begangenen oder geplanten Straftaten wesentlich erschwert wäre und
- der Inhaber der technischen Einrichtung einer solchen Straftat dringend verdächtig ist (Z 3 lit a), oder
- aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass eine der Tat dringend verdächtige Person die technische Einrichtung benützen oder mit ihr eine Verbindung herstellen werde (Z 3 lit b);
- wenn die Voraussetzungen für die Aufenthaltsermittlung nach § 135 Abs 2 Z 4 StPO vorliegen.
Was sind die formellen Voraussetzungen?
Unter formellen Voraussetzungen versteht man formale Bedingungen, die vor bzw bei der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen erfüllt sein müssen. Eine formelle Voraussetzung einer zulässig durchgeführten Ermittlungsmaßnahme kann zB eine gerichtliche Bewilligung mittels Beschlusses sein.
Eine Auskunft über Stammdaten ist auf Ersuchen von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht vom Anbieter zu erteilen. Eine Auskunft über Zugangsdaten sowie eine Anlassdatenspeicherung ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen.
Die oben genannten übrigen Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere die Überwachung von Nachrichten, sind von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und vom Gericht mittels Beschlusses zu bewilligen (§ 137 Abs 1 StPO).
Die staatsanwaltschaftliche Anordnung und die gerichtliche Bewilligung der obigen Ermittlungsmaßnahmen haben ua folgende Informationen zu enthalten: Die Bezeichnung des Verfahrens, den Namen des Beschuldigten, die gegenständliche Straftat, Tatsachen, aus denen sich die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit ergeben, den Namen des Inhabers der betroffenen technischen Einrichtung, die Art der Nachrichtenübertragung sowie den Zeitpunkt des Beginns und der Beendigung der Überwachung (§ 138 Abs 1 StPO).
Die zentrale Rolle des Strafverteidiger und Praxistipps
Eine Überwachung kann das Verfahren entscheidend prägen. Ein spezialisierter Strafverteidiger sichert frühzeitige Akteneinsicht und prüft Bewilligung, Umfang und Dauer der Ermittlungsmaßnahme.Weitershinterfragt er Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit und sichert den Rechtsschutz im Ermittlungsverfahren (Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 StPO bzw Beschwerde gem § 87 StPO). In diesem Zusammenhang kann ein Rechtsanwalt aufgrund seiner Erfahrung eine proaktive Verteidigungsstrategie ausarbeiten, um die Chancen auf einen günstigen Verfahrensausgang zu optimieren.
Eine Maßnahme, bei der ein Strafverteidiger unterstützen kann, ist auch die Ausübung des Rechts, die gesamten Ergebnisse der Ermittlungsmaßnahmen einzusehen und anzuhören (§ 139 Abs 1 StPO). Es empfiehlt sich als Beschuldigter auch, einen Antrag zu stellen, wonach weitere Ergebnisse in Bild- oder Schriftform zu übertragen sind, wenn diese Ergebnisse die gewählte Verteidigungsstrategie stützen. Diese Ergebnisse müssen für das Verfahren von Bedeutung und ihre Verwendung als Beweismittel zulässig sein (§ 139 Abs 3 StPO).
Ein Beschuldigter hat auch das Recht, die Vernichtung bestimmter Ergebnisse der Ermittlungsmaßnahme zu beantragen, wenn diese für ein Strafverfahren nicht von Bedeutung sein können oder als Beweismittel nicht verwendet werden dürfen (§ 139 Abs 4 StPO).
In § 140 Abs 1 Z 2 und Z 4 StPO ist für die oben erläuterten Ermittlungsmaßnahmen eine sogenannte Nichtigkeitssanktion festgelegt. Das bedeutet, dass bei Nichteinhaltung bestimmter oben aufgezeigter Voraussetzungen (zB die staatsanwaltschaftliche Anordnung und die gerichtliche Bewilligung) die durch diese Ermittlungsmaßahme gewonnenen Erkenntnisse nicht als Beweismittel verwendet werden dürfen, da sonst die Nichtigkeit des gesamten Verfahrens droht. Hier kann ein erfahrener Strafverteidiger umfassend Abhilfe schaffen, indem er diese Voraussetzungen prüft und deren Nichtvorliegen erkennt und aufzeigt.