Verletzung einer Pflicht zur Geheimhaltung (§ 310 StGB) im Zeitalter des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) – Rechtsanwalt erklärt Neuerungen

Mit dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) wurde in Österreich ein Systemwechsel vollzogen: Aus dem verfassungsrechtlich verankerten Amtsgeheimnis wurde ein Grundrecht auf Informationsfreiheit. Transparenz soll seither der Regelfall, Geheimhaltung die Ausnahme sein. Trotz dieses Paradigmenwechsels bleibt der strafrechtliche Geheimnisschutz für bestimmte, besonders schützenswerte Informationen bestehen. Zentral ist dabei § 310 StGB, der – in überarbeiteter Fassung – nun die „Verletzung einer Pflicht zur Geheimhaltung“ regelt und ausdrücklich an die Geheimhaltungsgründe des IFG anknüpft. Der folgende Beitrag bietet einen praxisorientierten Überblick über den Straftatbestand, Risiken und Verteidigungsansätze bei § 310 StGB – mit besonderem Fokus auf die Änderungen durch das IFG und die Schnittstellen zum Strafrecht. Schließlich zeigt der Beitrag auf, wie ein Strafverteidiger bei Vorwürfen im Zusammenhang mit § 310 StGB unterstützen kann.

Vom Amtsgeheimnis zum Informationszugang – warum § 310 StGB „neu gedacht“ werden muss

Mit dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und dem neuen Art 22a B-VG wurde das jahrzehntelang verankerte verfassungsrechtlich geschützte Amtsgeheimnis in Österreich abgeschafft und durch ein Recht auf Zugang zu staatlichen Informationen ersetzt. Parallel dazu wurden dienstrechtliche und strafrechtliche Bestimmungen angepasst, um den verbleibenden Geheimnisschutz in das neue System der Informationsfreiheit einzubetten. Dazu zählt insbesondere die Novelle des § 310 StGB, die seit 1. September 2025 in Kraft steht und den Tatbestand auf die Terminologie und Systematik des IFG abstimmt.

Kernpunkte der Reform des § 310 StGB:

  • Umbenennung des Delikts von „Verletzung des Amtsgeheimnisses“ zu „Verletzung einer Pflicht zur Geheimhaltung“;
  • Anknüpfung an die Geheimhaltungsgründe des § 6 Abs 1 IFG, insbesondere an öffentliche Interessen (zB zwingende außenpolitische Gründe, nationale Sicherheit) und überwiegende berechtigte private Interessen (zB Recht auf Schutz von personenbezogenen Daten, Berufs-, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse).
  • Ausgestaltung als konkretes Gefährdungsdelikt: Es reicht nicht mehr, dass eine Offenbarung bloß „geeignet ist“ Interessen zu verletzen – erforderlich ist nun eine tatsächliche Gefährdung dieser Interessen. Dadurch wird die Strafbarkeitsschwelle angehoben.

Für Behörden, ausgegliederte Einrichtungen und Unternehmen mit engem Behördenkontakt bedeutet das ein Spannungsfeld zwischen Transparenz- und Geheimhaltungspflichten. Dabei können Fehler in der Abwägung auch strafrechtliche Konsequenzen haben:

Objektiver Tatbestand des § 310 StGB – wer und was ist betroffen?

Nach § 310 Abs 1 StGB macht sich ein Beamter oder ehemaliger Beamter strafbar, der eine ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertraute oder zugänglich gewordene Tatsache offenbart oder verwertet, obwohl er zu deren Geheimhaltung gesetzlich verpflichtet ist, und dadurch ein öffentliches oder ein überwiegendes berechtigtes privates Interesse im Sinne von § 6 Abs 1 IFG gefährdet.

Nach § 310 Abs 2a StGB ist außerdem zu bestrafen, wer – sei es auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt oder Dienstverhältnis – als Organwalter oder Bediensteter des Europäischen Polizeiamtes (Europol), als Verbindungsbeamter oder als zur Geheimhaltung besonders Verpflichteter eine Tatsache oder Angelegenheit offenbart oder verwertet, die ihm ausschließlich kraft seines Amtes oder seiner Tätigkeit zugänglich geworden ist und deren Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen.

Neben (ehemaligen) Beamten oder Organwaltern von Europol kann sich darüber hinausgehend jedermann als Bestimmungs- oder sonstiger Beitragstäter (§ 12 StGB) wegen Verletzung einer Pflicht zur Geheimhaltung strafbar machen kann – etwa wenn jemand einen Beamten dazu anstiftet, rechtmäßig erlangte vertrauliche Behördeninformationen aus Datenbanken gezielt an Dritte weiterzugeben.

Geschützte Tatsachen

§ 310 StGB schützt nicht mehr das „Amtsgeheimnis“ als solches, sondern bestimmte Tatsachen, die einem Beamten ausschließlich kraft seines Amtes anvertraut oder zugänglich geworden sind und deren Geheimhaltung gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Information muss somit in einem inneren Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit des Beamten stehen.

Entscheidend ist zunächst, dass die Information dem Beamten aufgrund seiner amtlichen Stellung bekannt geworden ist („kraft seines Amtes“). Darüber hinaus muss er einer gesetzlichen Pflicht zur Geheimhaltung unterliegen. Diese Pflicht muss sich aus einer Rechtsnorm ergeben. In Betracht kommen insbesondere:

  • Art 22a Abs 2 B-VG bzw § 6 Abs 1 IFG, die Geheimhaltungspflichten etwa aus zwingenden integrations- oder außenpolitischen Gründen, Gründen der nationalen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorsehen,
  • spezialgesetzliche Verschwiegenheitsnormen, etwa im Sicherheits-, oder Datenschutzrecht oder
  • dienstrechtliche Bestimmungen.

Auch Informationen über Privatpersonen – etwa Gesundheitsdaten oder wirtschaftliche Verhältnisse – können erfasst sein, sofern sie dem Beamten im Zuge der Amtsausübung bekannt geworden sind und einer gesetzlichen Geheimhaltungspflicht unterliegen.

Betrifft die Tathandlung verfassungsgefährdende Tatsachen (§ 252 Abs 3 StGB), so ist der Täter nur zu bestrafen, wenn er in der Absicht handelt, private Interessen zu verletzen oder der Republik Österreich einen Nachteil zuzufügen (§ 310 Abs 3 StGB).

Tathandlung

Für die Erfüllung der objektiven Tatseite muss der Beamte eine der Geheimhaltung unterliegende Tatsache offenbaren oder verwerten. Dabei ist wesentlich, dass der Beamte von dieser Tatsache auf zulässige Weise „kraft seines Amtes“ Kenntnis erlangt und sie unberechtigt einem offenbart oder diese verwertet.

Offenbaren bedeutet, einer unbefugten Person Kenntnis zu verschaffen (zB durch persönliche Weitergabe von Akten, E-Mails, informelle Hinweise).

Verwerten ist jede Nutzung des Wissens zu eigenen oder fremden wirtschaftlichen Zwecken, etwa zugunsten eines Unternehmens in einem Vergabeverfahren oder in laufenden behördlichen Ermittlungen.

Konkrete Gefährdung schutzwürdiger Interessen

Neu ist, dass die tatbestandsmäßige Handlung des (ehemaligen) Beamten im Sinne des § 310 Abs 1 StGB ein öffentliches oder überwiegendes berechtigtes privates Interesse im Sinn des § 6 Abs 1 IFG tatsächlich gefährden muss. Die Strafbarkeitsschwelle wurde im Gegensatz zur früheren Rechtslage, wonach eine Handlung, die bloß „geeignet ist“ eine Verletzung zu bewirken, ausreichend war, dadurch bewusst angehoben.

In der Praxis wird entscheidend sein, ob im konkreten Einzelfall eine tatsächliche Gefährdung von spezifischen Interessen, etwa Sicherheitsinteressen, behördlichen oder gerichtlichen Verfahren, Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder personenbezogenen Daten (Verweis auf § 6 Abs 1 IFG) oder sonstigen einschlägigen Interessen dargelegt werden kann.

Für die Tatbildverwirklichung nach § 310 Abs 2a StGB in Bezug auf (ehemalige) Organwalter von Europol reicht hingegen weiterhin eine Eignung, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen.

Subjektiver Tatbestand: Vorsatz mit Bezug auf IFG-Kriterien

Die Verletzung einer Pflicht zur Geheimhaltung ist ein Vorsatzdelikt. Der Täter muss zumindest mit Eventualvorsatz handeln, also die Möglichkeit einer unzulässigen Geheimnisoffenbarung ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden (§ 5 Abs 1 StGB).

Mit der neuen Anknüpfung an das IFG erweitert sich die Vorsatzprüfung inhaltlich: Der Vorsatz muss nun auch jene Umstände erfassen, aus denen sich die gesetzliche Geheimhaltungspflicht ergibt, sowie jene Faktoren, die eine konkrete Gefährdung eines öffentlichen oder überwiegenden berechtigten privaten Interesses begründen (§ 6 Abs 1 IFG).

Damit gewinnt die Abgrenzung gegenüber rechtmäßigen Formen der Informationsweitergabe – etwa im Rahmen der Informationspflicht nach dem IFG oder der behördlichen Öffentlichkeitsarbeit – erheblich an Bedeutung. Fehleinschätzungen können unter Umständen im Zusammenhang mit einem Tatbildirrtum relevant werden, wenn der Täter nicht erkennt, dass er einen objektiven Tatbestand erfüllt und daher vorsatzlos handelt (zB weil er nicht erkennt, dass eine bestimmte Tatsache der Geheimhaltung unterliegt).

Strafdrohung und Verhältnis zu anderen Delikten

Einem Beamten, der seine Pflicht zur Geheimhaltung verletzt und somit sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite erfüllt, drohen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren, sofern keine strengere Strafbestimmung eingreift (§ 310 Abs 1 StGB). Diese Strafdrohung gilt auch für (ehemalige) Organwalter von Europol nach § 310 Abs 2a StGB.

In der Praxis ist die Abgrenzung zu § 302 StGB (Missbrauch der Amtsgewalt) von zentraler Bedeutung. § 302 StGB erfasst den wissentlichen Missbrauch von Befugnissen bei der Vornahme von Amtsgeschäften. § 310 StGB schützt hingegen den Geheimnisschutz als solchen. Die Norm bestraft keinen Amtsmissbrauch, sondern „nur“ die Offenbarung oder Verwertung vertraulicher Informationen.

Dieser Unterschied lässt sich anhand eines Beispiels veranschaulichen:

Tätigt ein Beamter rechtlich zulässige Abfragen mit Dienstbezug in Datenbanken und offenbart deren – der Geheimhaltung unterliegende – Inhalte anschließend einem Dritten, so ist dieses Verhalten grundsätzlich (nur) wegen Verletzung einer Pflicht zur Geheimhaltung (§ 310 StGB) strafbar. Anderes gilt nur dann, wenn der Täter eine ihn treffende Pflicht trifft, alles zu unterlassen, was den Zweck einer (hoheitlichen) Maßnahme vereitelt, etwa die Ankündigung einer Hausdurchsuchung, die diesfalls § 302 StGB erfüllen würde.

Erfolgt bereits die vorherige Datenabfrage ohne dienstlichen Bezug und ist diese unzulässig, kann sich der Täter bei entsprechendem Vorsatz ebenfalls wegen Amtsmissbrauchs (§ 302 StGB) strafbar machen. Da dieses Delikt strenger bestraft ist, trifft die Strafbarkeit nach § 310 StGB in diesem Fall zurück.

Auch § 121 StGB (Verletzung von Berufsgeheimnissen) ist abzugrenzen. Diese Bestimmung erfasst etwa Ärzte oder Sachverständige, die Berufsgeheimnisse offenbaren oder verwerten. Ist die geheimnispflichtige Person jedoch ein Beamter, stellt die Preisgabe des entsprechenden Geheimnisses eine Verletzung der Geheimhaltungspflicht im Sinne des § 310 StGB dar. Die Strafbarkeit nach § 121 StGB tritt hinter jene des § 310 StGB zurück (materielle Subsidiarität).

Unterstützung durch einen auf Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt

Vorwürfe wegen der Verletzung einer Pflicht zur Geheimhaltung treffen Beschuldigte oft hart. Beamte sehen dadurch nicht nur ihre persönliche strafrechtliche Verantwortung, sondern auch ihre berufliche Existenz und Reputation gefährdet. Umso wichtiger ist es, Entscheidungen über Informationszugang und Geheimhaltung sorgfältig zu dokumentieren, um im Konfliktfall nachvollziehbar begründen zu können, weshalb eine Information offengelegt oder zurückgehalten wurde.

Ein Rechtsanwalt ist mit den zahlreichen bestehenden Verteidigungsansätzen im Zusammenhang mit § 310 StGB vertraut. Nach erfolgter Akteneinsicht kann er zunächst prüfen, ob im konkreten Fall überhaupt eine gesetzliche Geheimhaltungspflicht bestand oder ob die Weitergabe der Information möglicherweise im Rahmen einer gesetzlich vorgesehenen Informationspflicht nach dem IFG erfolgte. Ebenso ist genau zu analysieren, ob die betreffende Tatsache tatsächlich „kraft Amtes“ erlangt wurde oder bereits öffentlich zugänglich war. Die neue Ausgestaltung des Tatbestands als konkretes Gefährdungsdelikt eröffnet zudem zusätzlichen Verteidigungsspielraum: Lässt sich im Strafverfahren keine tatsächliche Gefährdung eines nach § 6 IFG geschützten Interesses feststellen, ist der Tatbestand des § 310 StGB ebenfalls nicht erfüllt.

Neben einer rechtlichen Analyse unterstützt Sie ein Rechtsanwalt in sämtlichen Verfahrensschritten – von der Beschuldigtenvernehmung über die Hauptverhandlung bis zur allfälligen Erhebung eines Rechtsmittels. Dabei ist ein Strafverteidiger stets darauf bedacht, Ihre Rechte und Interessen als Beschuldigter bestmöglich zu wahren. Er konzentriert sich darauf, Ihre rechtliche Position zu stärken, indem er ihren Standpunkt gegenüber den Strafverfolgungsbehörden überzeugend darstellt und beispielsweise Beweisanträge (§ 55 StPO) für Sie einbringt. Gerade im neuen Spannungsfeld zwischen Informationsfreiheit und Geheimnisschutz ist eine frühzeitige, spezialisierte Beratung entscheidend, um Fehlentscheidungen zu vermeiden und Verteidigungsspielräume effektiv zu nutzen.

Dr. Elias Schönborn

Dr. Elias Schönborn
Rechtsanwalt und Strafverteidiger

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FAZIT

§ 310 StGB hat sich durch das Informationsfreiheitsgesetz von einem klassischen „Amtsgeheimnisdelikt“ zu einer modernen Geheimnisschutznorm im „Zeitalter der Transparenz“ weiterentwickelt. Mit der Ausgestaltung als konkretes Gefährdungsdelikt wurde die Schwelle zur Strafbarkeit angehoben. Behörden, Körperschaften öffentlichen Rechts sowie Unternehmen mit intensiven Behördenkontakten müssen sich daher in ihrer täglichen Arbeit sorgfältig im Spannungsfeld zwischen Transparenz und Geheimhaltungsverpflichtungen bewegen. Wenn Sie mit dem Vorwurf einer Verletzung der Geheimhaltungspflicht nach § 310 StGB konfrontiert sind, ist es ratsam, frühzeitig fachkundige strafrechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Wir prüfen für Sie, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des Tatbestandes tatsächlich erfüllt sind, und erarbeiten gemeinsam mit Ihnen die zweckmäßigste Verteidigungsstrategie – mit dem Ziel, die Chancen auf eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder eine diversionelle Erledigung maßgeblich zu erhöhen. Kontaktieren Sie uns gerne für eine vertrauliche Erstberatung.
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Dr. Elias Schönborn

Dr. Elias Schönborn ist Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Wien. Als Experte für Strafrecht vertritt er Mandanten in allen Stadien eines Strafverfahrens. Zudem ist er Vortragender und Autor zahlreicher Fachpublikationen.

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