Tipps und wichtige Beschuldigtenrechte
Eine Vernehmung als Beschuldigter ist ein zentraler Moment im Strafverfahren, der gut vorbereitet sein sollte. Neben der Unschuldsvermutung sind das Recht auf rechtliches Gehör sowie das Recht auf Verteidigung wesentliche Grundsätze des österreichischen Strafprozessrechts. Jeder Beschuldigte hat das Recht, am gesamten Verfahren mitzuwirken und seine Sicht der Dinge gegenüber den Strafverfolgungsbehörden darzustellen. Darüber hinaus haben Beschuldigte das Recht auf Akteneinsicht und können dadurch in die Ergebnisse des Strafverfahrens Einsicht nehmen. Das Recht auf Akteneinsicht sollte in regelmäßigen Abständen in Anspruch genommen werden, um stets über den aktuellen Stand der Ermittlungen informiert zu sein. Zur Wahrung der eigenen Interessen ist es besonders wichtig, Akteneinsicht zu nehmen, bevor Sie einer Ladung zu einer Vernehmung als Beschuldigter Folge leisten. Ein Rechtsanwalt kann Sie dabei unterstützen und Sie beraten, welche Vorgehensweise in Ihrem Fall am zielführendsten ist.
Vermeidung von Fehlern bei der Beschuldigtenvernehmung durch frühzeitige Einbindung eines Anwalts
Während einer Vernehmung als Beschuldigter gibt es Spielregeln und Beschuldigtenrechte, die jeder Beamte beachten muss. Der Beschuldigte darf nicht gezwungen werden, sich selbst zu belasten. Es steht ihm jederzeit frei, auszusagen oder die Aussage zu verweigern. Die richtige Wahl, ob, und wenn ja, welche Angaben der Beschuldigte gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft macht, ist im Ermittlungsverfahren von erheblicher Bedeutung. Beschuldigte haben das Recht, vor ihrer Beschuldigtenvernehmung mit einem Strafverteidiger Kontakt aufzunehmen und sich mit diesem zu besprechen. Dies ist dringend zu empfehlen, um in der psychischen Ausnahmesituation einer Vernehmung als Beschuldigter einen kühlen Kopf zu bewahren und sich bei der Wahrnehmung der eigenen Verteidigungsrechte beraten und unterstützen zu lassen. Denn grobe Fehler, die fast immer durch unüberlegtes Handeln im Ermittlungsverfahren ohne anwaltliche Vertretung entstehen, sind später oft nicht mehr zu korrigieren und können das Verfahrensergebnis oftmals nachteilig beeinflussen.
Verteidigungsstrategie
Die Entwicklung einer effektiven Verteidigungsstrategie erfordert eine sorgfältige Analyse des Tatvorwurfs, der vorliegenden Beweismittel und der rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Verteidigungsstrategie ist auch abhängig vom jeweiligen Teilbereich des Strafrechts, sodass sich die Strategien im allgemeinen Strafrecht oftmals erheblich von jenen im Wirtschaftsstrafrecht, Korruptionsstrafrecht, Unternehmensstrafrecht, Medizinstrafrecht, IT-Strafrecht, Umweltstrafrecht und internationalen Strafrecht unterscheiden. Zudem muss der beigezogene Strafverteidiger nicht nur den Sachverhalt verstehen, sondern auch über den strafrechtlichen Tellerrand schauen und strategische Aspekte berücksichtigen.
Bei Festlegung der Verteidigungsstrategie gibt es zwischen den beiden Extremformen „Konfliktverteidigung“ und „Konsensverteidigung“ viele Mischformen; die Wahl der richtigen Verteidigungsstrategie ist höchst individuell und hängt immer vom konkreten Fall ab. Jedenfalls gilt: Prozesshandlungen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und des Gerichts sind bereits im Ermittlungsverfahren auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Rechtswidriger staatlicher Ermittlungstätigkeit ist klar entgegenzutreten und im Zuge der Verteidigung mit den entsprechenden Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen zu bekämpfen.
Ladung erhalten? Was Sie jetzt beachten müssen
Im Laufe des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erhalten die meisten Beschuldigten eine Ladung von der Polizei, damit diese den Beschuldigten zu den Vorwürfen vernehmen kann. Die Vernehmung des Beschuldigten ist ein kritischer Moment im Strafverfahren. Die Beschuldigtenvernehmung bietet die Gelegenheit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und entlastende Beweise vorzubringen. Dennoch gibt es hier einige Stolpersteine. Die Polizei pocht oftmals auf eine rasche Vernehmung. Dadurch wird Druck aufgebaut.
Der Beschuldigte sollte grundsätzlich dem natürlichen Reflex widerstehen, der sich aus unserem gewohnten Kommunikationsverhalten ergibt, schnell zu Vorwürfen aussagen zu wollen. Das Strafverfahren funktioniert nach eigenen Regeln und ist nach wie vor von einem Über- und Unterordnungsverhältnis geprägt. Allein die Anwesenheit in den Räumlichkeiten der Polizeidienststelle während einer Vernehmung als Beschuldigter und die Tatsache, dass die Fragen von einem staatlichen Organ gestellt werden, hat auf viele Beschuldigte eine große Machtwirkung.
Vernehmung als Beschuldigter: Schutz vor Überrumpelung ist entscheidend
Viele Beschuldigte machen bei ihrer Vernehmung – ohne genaue Kenntnis des Akteninhalts – in einer Drucksituation ohne Anwesenheit eines Strafverteidigers vorschnelle und oft unpräzise Angaben, weil sie befürchten, als Täter hingestellt zu werden, wenn sie die Fragen der Polizei nicht sofort beantworten oder einen Verteidiger konsultieren. Tatsächlich ist oft das Gegenteil der Fall: Aus unpräzisen Angaben in Beschuldigtenvernehmungen werden oftmals Anhaltspunkte abgeleitet, dass der Beschuldigte die Tat tatsächlich begangen haben könnte, selbst wenn dies nicht der Fall ist.
Zudem ist die Beiziehung eines Verteidigers absolut üblich und in keiner Weise schädlich, sondern kann Ihnen im Gegenteil in einer Ausnahmesituation wie einer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung Ruhe und Klarheit verschaffen. Darüber hinaus kann ein auf Strafrecht spezialisierter Rechtsanwalt auf die strikte Einhaltung der Strafprozessordnung hinwirken und Ihre Verteidigungsrechte wirksam wahrnehmen, um das bestmögliche Verfahrensergebnis zu erzielen.
Das Aussageverweigerungsecht von Beschuldigten sollte daher ernst genommen werden: Machen Sie ohne Anwalt keine Angaben in einer Beschuldigtenvernehmung. Mündliche Angaben in einer Vernehmung als Beschuldigter sollten – wenn überhaupt – erst nach vollständiger Akteneinsicht und Festlegung einer Verteidigungsstrategie gemacht werden. Eine gründliche Vorbereitung in Rücksprache mit einem spezialisierten Rechtsanwalt ist daher empfehlenswert.
Vorteile und richtiger Einsatz einer schriftlichen Stellungnahme
Beschuldigte haben das Recht, ihren Standpunkt auch in Form einer schriftlichen Stellungnahme (Verteidigungsschrift) darzulegen. Diese ersetzt zwar nicht die Beschuldigtenvernehmung, stellt aber eine zulässige Prozesshandlung und ein zu berücksichtigendes Beweisergebnis dar.
Es steht dem Beschuldigten auch zu, sich im Strafverfahren ausschließlich schriftlich zu äußern, indem er zu Beginn seiner Vernehmung eine schriftliche Stellungnahme vorlegt, diese zu seiner Aussage erhebt und erklärt, darüber hinaus von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen und keine weiteren Angaben zu machen. Auf diese Weise kann die für viele Beschuldigte unangenehme Situation einer polizeilichen oder staatsanwaltschaftlichen Vernehmung als Beschuldigter in wenigen Minuten erledigt werden. Es hängt immer vom Einzelfall ab, ob die Beantwortung von Fragen sinnvoll ist, eine schriftliche Stellungnahme eingebracht werden soll, oder beides miteinander kombiniert werden sollte. Da es hier einerseits kein „Patentrezept“ gibt und andererseits Fehler erhebliche Nachteile nach sich ziehen können, ist auch unter diesem Gesichtspunkt die Beiziehung rechtlicher Hilfe stark zu empfehlen.
Wie Sie mit einer schriftlichen Stellungnahme den Verlauf des Strafverfahrens beeinflussen können
Nicht nur in komplexen Wirtschaftsstrafverfahren empfiehlt es sich, eine schriftliche Stellungnahme vorzubereiten. Denn eine gut strukturierte schriftliche Stellungnahme ermöglicht es dem Beschuldigten, in Ruhe seine Argumente unter Berücksichtigung des Akteninhalts darzulegen, ohne dem psychischen Druck einer mündlichen Vernehmungssituation ausgesetzt zu sein. Außerdem können in der schriftlichen Stellungnahme auf überlegte Weise Beweisanträge gestellt und entlastende Dokumente vorgelegt werden, die von den Strafverfolgungsbehörden zu berücksichtigen sind.
In einigen Fällen kann dadurch das Ziel erreicht werden, die Staatsanwaltschaft davon zu überzeugen, dass eine Verurteilung vorausschauend wohl nicht erzielbar sein wird, sodass sie das Ermittlungsverfahren einstellt. Auch bei einer Verantwortungsübernahme kann in vielen Fällen dahingehend argumentiert werden, dass das Verschulden des Beschuldigten nicht als schwer anzusehen ist, sodass das Verfahren in Form einer Diversion oder im Unternehmensstrafrecht durch einen Rücktritt von der Verfolgung eines Verbands (§ 18 VbVG) erledigt wird. Mitunter kann auf diese Weise unter Wahrung der Unschuldsvermutung eine öffentliche Gerichtsverhandlung vermieden werden.