Jugendstrafrecht – Rechtsanwalt klärt über Strafmündigkeit auf

Das Jugendstrafrecht ist ein bedeutender Teilbereich des Strafrechts und richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene. Immer wieder „genießt“ das Jugendstrafrecht massive mediale Aufmerksamkeit und wird zur Grundlage kontroverser Debatten, beispielsweise zu einer möglichen Senkung der Altersgrenze der Strafmündigkeit. Der vorliegende Beitrag gibt Aufschluss über das Jugendstrafrecht, zeigt auf, welche Unterschiede zum Erwachsenenstrafrecht bestehen und was Sie als Jugendlicher oder Elternteil Ihres von einem strafrechtlichen Vorwurf betroffenen Kindes unbedingt wissen sollten. Darüber hinaus wird die Bedeutung eines erfahrenen Rechtsanwalts näher dargestellt und aufgezeigt, wie ein Strafverteidiger gerade im Jugendstrafrecht bedeutsame Unterstützung leisten kann.

Allgemeines

Die Statistik der letzten Jahre zeigt einen fortlaufenden Anstieg der jugendlichen Tatverdächtigen. 2024 wurden in Österreich über 47.000 Delikte erfasst, bei denen die Tatverdächtigen das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Das Jugendstrafrecht gewinnt daher immer mehr an Relevanz. Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) regelt den Umgang mit jungen Straftätern und normiert konkrete Verfahrensbesonderheiten in Strafverfahren gegen Jugendliche und junge Erwachsene.

Anwendungsbereich des Jugendstrafrechts

Die Strafmündigkeit beginnt in Österreich mit dem 14. Geburtstag. Wird eine Straftat, beispielsweise eine Körperverletzung (§ 83 StGB), eine Urkundenfälschung (§ 223 StGB) oder ein Betrug (§ 146 StGB) von einer Person begangen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und somit noch nicht strafmündig ist, kann diese Person strafrechtlich nicht belangt werden (§ 4 Abs 1 JGG).  Anders gestaltet sich die Rechtslage bei Jugendlichen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr: Hier können bereits polizeiliche und gerichtliche Maßnahmen gesetzt werden, um den Täter zu sanktionieren und vor zukünftigen Straftaten präventiv abzuhalten.

Im Jugendstrafrecht wird zwischen den folgenden Personengruppen unterschieden:

  • Unmündige: Personen, die das 14.Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 1 Abs 1 Z 1 JGG);
  • Jugendliche: Personen, die das 14. Lebensjahr, aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 1 Abs 1 Z 2 JGG);
  • Junge Erwachsene: Personen, die das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben (§ 1 Abs 1 Z 5 JGG).

Ziele des Jugendstrafrechts

Das Strafrecht wird umfassend durch die spezial- und generalpräventive Wirkung geprägt. Strafen verfolgen demnach nicht nur das Ziel, den Täter selbst von der erneuten Tatbegehung abzuhalten (Spezialprävention), sondern allgemein auch andere, potenzielle Täter vor der Begehung von strafbaren Handlungen abzuschrecken (Generalprävention).

Im Jugendstrafrecht ist insbesondere der Ansatz der Spezialprävention besonders relevant. Das oberste Ziel der Strafgerichtsbarkeit ist demnach, die noch junge Persönlichkeit des Täters so zu festigen, dass er in Zukunft keine Straftaten mehr begeht. Im Jugendstrafrecht wurde dem allgemeinen Ultima-Ratio-Grundsatz verstärkt Rechnung getragen und die Generalprävention zugunsten der Spezialprävention zurückgedrängt. Die Generalprävention ist im Jugendstrafrecht im Gegensatz zum Erwachsenenstrafrecht lediglich in Ausnahmefällen mitzuberücksichtigen.

Besonderheiten im Jugendstrafrecht und angepasster Strafrahmen

Grundsätzlich basiert das Jugendstrafrecht auf den Prinzipien des allgemeinen Strafrechts. Dennoch gibt es wichtige Unterschiede: Im Jugendstrafrecht ist nur jene staatliche Maßnahme zu treffen, die gerade notwendig ist, um auf Straftaten zu reagieren und diese auch für die Zukunft zu verhindern. So gilt für Strafen und Diversionen ein verstärktes Ultima-ratio-Prinzip.

Dabei gelten für Jugendliche insbesondere die folgenden Vorschriften:

  • Vernehmungen: Die Vernehmung eines jugendlichen Beschuldigten ist je nach Alter, Entwicklungs- und Bildungsstand des Jugendlichen durchzuführen. Darüber hinaus sind, sofern kein Strafverteidiger und auch kein gesetzlicher Vertreter, oder eine andere Vertrauensperson bei der Vernehmung anwesend ist, Ton- und Bildaufnahmen anzufertigen (§ 36a Abs 1, Abs 2 JGG).
  • Festnahmen: Jugendliche sind nach einer Festnahme freizulassen, sobald der Zweck der Festnahme durch familienrechtliche Verfügungen erreicht werden kann. Außerdem gibt es im Jugendstrafrecht keine obligatorische Festnahme bei Verbrechen, die eine Mindeststrafdrohung von über zehn Jahren Freiheitsstrafe haben (§ 35 Abs 1b JGG).
  • Untersuchungshaft & Haftstrafen: Besonderes Augenmerk wird auch auf die Vermeidung einer Untersuchungs- und Strafhaft gelegt. Eine Untersuchungshaft darf nur als letztes zur Verfügung stehendes Mittel eingesetzt werden. Die Untersuchungshaft darf nur verhängt werden, wenn die mit ihr verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und für das Fortkommen des Jugendlichen nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tat und zu der zu erwartenden Strafe stehen. Sofern für ein allfälliges Hauptverfahren ein Bezirksgericht zuständig ist, ist die Verhängung der Untersuchungshaft unzulässig (§ 35 Abs 1, Abs 1a JGG). Häufig werden als gelindere Mittel, Weisungen oder regelmäßige Betreuungen und Beaufsichtigungen des Jugendlichen im Rahmen der Unterbringung in einem Heim oder einer betreuten Wohngemeinschaft eingesetzt.

Als weitere Besonderheit des Jugendstrafrechts ist die strengere Regelung der Anwaltspflicht zu nennen. So muss zB bei jeder Hauptverhandlung vor einem Gericht der jugendliche Beschuldigte von einem Verteidiger vertreten sein (§ 39 Abs 1 Z 4 JGG).

Außerdem ist der Strafrahmen im Jugendstrafrecht in vielen Fällen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen weitaus niedriger als im Erwachsenenstrafrecht. So wird beispielsweise statt der Androhung von Freiheitsstrafen  im Ausmaß von „lebenslang“ und „10 bis 20 Jahre oder lebenslang“ das Strafausmaß auf 1 – 15 Jahre (Tatbegehung nach dem 16. Lebensjahr) bzw 1 – 10 Jahre (Tatbegehung vor dem 16. Lebensjahr) reduziert (§ 5 Z 2 JGG) . Weiters normiert das JGG  in allen Fällen, die nicht explizit genannt sind, die Faustregel, dass das Höchstmaß der angedrohten Strafen im Erwachsenenstrafrecht auf die Hälfte herabgesetzt wird. Zusätzlich sind bei Freiheitsstrafen keine zwingenden Mindeststrafen vorgesehen (§ 5 Z 4 JGG).

In diesem Rechtsgebiet durchdringt der Ultima-Ratio-Gedanke des Strafrechts so stark, dass sogar ein Schuldspruch ohne Strafe (§ 12 JGG) sowie ein Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe (§ 13 JGG) möglich sind.

Ein Schuldspruch ohne Strafe ist zu fällen, wenn nur eine geringe Strafe zu erwarten wäre und davon auszugehen ist, dass der Schuldspruch allein ausreicht, um den Jugendlichen von weiteren Straftaten abzuhalten.

Ein Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe ist zu verkünden, wenn unter Setzung einer Probezeit von einem bis zu drei Jahren anzunehmen ist, dass der Schuldspruch und die Androhung des Strafausspruchs – allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen – in spezialpräventiver Hinsicht genügen werden.

Für junge Erwachsene (18–21 Jahre) gilt in Österreich nicht uneingeschränkt das Erwachsenenstrafrecht: Zahlreiche Schutzvorschriften des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) bleiben aber weiterhin anwendbar. § 1 Abs 2 JGG bestimmt, dass dessen Regelungen sinngemäß gelten, wenn die Tat oder das Verfahren vor dem 21. Geburtstag liegt. Der Umfang dieser Anwendung ergibt sich aus § 46a JGG, ergänzt durch § 19 JGG zur Strafzumessung. Damit gilt für junge Erwachsene insbesondere: kein lebenslanges Höchstmaß, reduzierte Mindest- und Höchststrafen, verpflichtende Jugendgerichte, weitgehender Ausschluss der Öffentlichkeit, besondere Festnahme- und U-Haft-Schranken, zwingende Jugenderhebungen sowie das Instrument der Jugendgerichtshilfe.

Möglichkeit der Straffreiheit mittels Diversion im Jugendstrafrecht

Das Instrument der Diversion wurde zunächst im Jugendstrafrecht mit dem JGG 1988 eingeführt. Aufgrund der äußerst positiven Erfahrungen und des großen Zuspruchs wurde die Diversion im Jahr 1999 auch ins allgemeine Strafrecht übernommen.

Gerade im Jugendstrafrecht, bei dem die Täter noch am Anfang ihres Lebenswegs stehen, kann es für die Entwicklung des Jugendlichen von besonderer Bedeutung sein, einer Verurteilung entgegenzuwirken. Denn Eintragungen im Strafregister können weitreichende Konsequenzen für die Jugendlichen haben, ihre Zukunftsaussichten verbauen und den Einstieg ins Berufsleben erheblich erschweren.

Eine Diversion führt dazu, dass das Strafverfahren nicht mit einer gerichtlichen Verurteilung endet und dementsprechend auch keine gerichtliche Vorstrafe im Strafregister eingetragen wird. Um die schwerwiegenden Folgen einer strafrechtlichen Verurteilung zu vermeiden, steht auch im Jugendstrafrecht das Mittel der Diversion zur Verfügung (§ 7 JGG). Die Diversion (Rücktritt der Verfolgung) scheint lediglich verwaltungsintern im Polizeiakt auf und ist für den (potenziellen) Arbeitgeber nicht einsehbar.

Im Jugendstrafrecht gelten erleichterte Voraussetzungen für die Anwendung diversioneller Maßnahmen (§ 7 JGG): So sind nur spezialpräventive aber keine generalpräventiven Erwägungen zu berücksichtigen. Zudem besteht – anders als im Erwachsenenstrafrecht (5 Jahre Strafdrohung) – keine strafrahmenbezogene Höchstgrenze für ihre Verhängung.

Im Jugendstrafrecht gibt es zudem Besonderheiten hinsichtlich der Ausgestaltung der Diversion (§ 8 JGG): So ist die Zahlung eines Geldbetrags gemäß § 200 StPO beispielsweise nur dann als Diversionsmaßnahme vorzuschlagen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Geldbetrag aus Mitteln gezahlt wird, über die der jugendliche Beschuldigte selbstständig verfügen darf, ohne dass sein weiteres Fortkommen beeinträchtigt wird.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Diversion bei Erwachsenen und Jugendlichen nach demselben Bauplan funktioniert, aber § 8 JGG bringt kinder- und jugendspezifische Schutzklauseln: halbierte Höchststunden bei gemeinnütziger Arbeit, strengere Vorgaben für Geldzahlungen, kein Zwang zur Opferzustimmung und ständige Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe. Das Ziel bleibt, erzieherisch zu wirken, ohne die soziale Zukunft junger Menschen zu gefährden.

Erfahrener Rechtsanwalt als fundamentale Stütze im Jugendstrafverfahren

Wenn Sie als Jugendlicher oder als Elternteil von einer gegen Ihr Kind gerichteten Strafanzeige erfahren, sollten Sie umgehend einen auf Jugendstrafrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuziehen. Dieser klärt Sie über die Besonderheiten des Jugendstrafverfahrens auf, beantwortet Ihre Fragen und unterstützt Sie und Ihr Kind in allen Schritten des Verfahrens. Es ist ratsam, bereits zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens einen Strafverteidiger zu konsultieren, um die Chancen eines möglichst positiven Abschluss des Verfahrens zu erhöhen. Ein Rechtsanwalt klärt Sie über die zentralen Beschuldigtenrechte auf und begleitet den Beschuldigten zur Vernehmung.  Dabei achtet er darauf, dass die Rechte des Beschuldigten bestmöglich gewahrt bleiben.

Dr. Elias Schönborn
Dr. Elias Schönborn
Rechtsanwalt und Strafverteidiger

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FAZIT

Wenn Jugendliche mit dem Strafrecht in Konflikt geraten, wirft das häufig nicht nur rechtliche, sondern auch sozialpädagogische Fragen auf. Betroffene Eltern sehen sich mit Sorgen und Ängsten konfrontiert und fühlen sich im Strafprozess allein gelassen. Wir unterstützen Sie gerne, klären Sie über relevante Aspekte auf und stehen Ihnen während des gesamten Prozesses rechtlich zur Seite. Kontaktieren Sie uns gerne für die Vereinbarung eines Termins für eine Erstberatung.
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